Nun sagte Agrippa zu Paulus: »Du darfst dich jetzt selbst verteidigen.« Paulus hob die Hand zum Gruß und begann:
Apostelgeschichte 26,1
Vielleicht kennst du das Gefühl vor Gericht zu stehen,
also natürlich im übertragenen Sinn gesehen.
Was sagst du dann, wenn du angeklagt wirst,
anklagend gefragt wirst, ob du etwa ein Christ bist?
Ob du etwa an Gott glaubst, also so richtig?
Dass er alles von uns sieht, von oben herab?
Glaubst du echt, dass er die Welt erschaffen hat?
Jemand, der unsichtbar ist?
Und merkst du eigentlich, wie unsicher du dabei bist,
auf all diese Fragen einfach ja zu sagen?
Denn in den Fragen steht zwischen den Zeilen:
»Wie kann dir das als intelligenter Mensch wirklich ernst sein?
Also, ich will dir deinen Glauben nicht ausreden,
aber Glaube ist doch nur eine Ausrede,
der Welt nicht ins Auge zu sehen.
Eine Möglichkeit, um Tatsachen zu verdrehen.
Religion ist anders als Wissenschaft
einfach nur unbegründeter Quatsch.«
Und während ich trotzdem überlege,
wie ich meinen Glauben am besten erkläre,
wird mir klar, dass ich nie wirklich darüber rede.
Das ist mir ein bisschen zu intim,
um mit jemandem außer ihm darüber zu sprechen.
Und meine Antwort auf Smalltalk-Niveau runter zu brechen
meinen Glauben mit jemand anderem zu teilen,
ist gar nicht so leicht, wie es scheint.
Was bleibt, ist ein zögerliches vielleicht.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich das ziemlich krass find,
wenn jemand einfach so sagen kann, dass er glaubt, dass er auf Gott vertraut
– ich mein, so richtig habe ich mich das nie getraut.
Um nicht irgendwo einsortiert zu werden,
hab ich das immer irgendwie relativiert
und ich weiß einfach nicht, wie man darüber spricht –
ich stehe also vor Gericht.
Ich hab das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen,
muss meine Antwort in Floskeln verschlüsseln,
muss mich mit vermeintlichen Ausreden rausreden.
Meine Worte verdrehen sich, richten sich geben mich.
Durch ignorantes Unverständnis
wird meine Antwort zu einem Schuldeingeständnis
statt zu einem Bekenntnis.
Über mich wird ein Urteil gesprochen,
ob schuldig oder freigesprochen –
Werden die Anklage und der Vorwurf bleiben
oder diesmal wirklichem Verständnis weichen?
Was bleibt, ist ein vielleicht.
Und ehrlich gesagt, frag ich mich doch selbst viel zu oft,
woran und warum ich glaube und wo Du denn bist, mein Gott.
Ich habe so viele Zweifel und so viele Fragen,
mit jeder Antwort, nach der ich greife, stell ich mehr in frage
und vielleicht versteh ich davon auch wirklich zu wenig.
Wenn Gott doch allmächtig und gerecht ist,
warum ist dann die Welt eigentlich so schlecht?
Nietzsche sagt: »Gott ist tot«, ich weiß, er ist wieder auferstanden,
aber so richtig habe ich das nicht verstanden.
Wenn Jesus doch für unsere Sünden starb,
warum ist das Leben dann trotzdem so hart?
Wenn er für uns gelitten hat, warum leiden wir dann?
Und wenn er unsere Schuld genommen hat, warum kann
ich dann trotzdem Fehler machen?
Die Narben an seinen Händen und Füßen künden,
dass er gestorben ist für unsere Sünden.
Gott hat unsere Schuld auf sich genommen
und ist trotzdem zurück ins Leben gekommen.
Wie kann es dann sein, dass es so viel Leid gibt
und am Ende nicht immer das Gute siegt?
Wie begründet man, dass die Welt so ist, wie sie ist
und hält trotzdem an seinem Glauben fest?
Also, meine eigene Welt ist gar nicht so schlecht,
und das ist vergleichsweise ungerecht,
denn ich lebe in einem Land, das reich ist,
obwohl dieser Reichtum unfair verteilt ist.
Ich hab eine super Familie und gute Freunde
Ich habe Durst, ich hab noch Träume
Ich bin gesund und habe ein echt gutes Leben
ich habe kein einziges wirkliches Problem –
außer, dass ich immer noch nicht weiß,
worüber ich meine Bachelorarbeit schreib‘.
Ich mein, mir geht es gut, ich frag mich oft,
warum ausgerechnet ich, all das habe –
das geht einfach nicht in meinen Kopf,
ich stell das aber auch nicht in Frage
und wirklich etwas dagegen hab ich auch nicht,
dass Gottes Segen so unfair verteilt ist.
Es ist keine Kunst, zu sagen »Das liegt nicht an uns.«
Und es wird uns nicht helfen, die Schuld auf Gott abzuwälzen.
Denn Glaube heißt auch von all den Gaben,
die wir von Gott geschenkt bekommen haben,
Gebrauch zu machen, so schwer das auch sein mag.
Ich weiß, es kostet eine Menge Mut,
etwas gegen Ungerechtigkeit zu tun.
Aber:
Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Feigheit,
sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2. Tim 1, 7)
Auf dem rechten Weg liegen zwar viele Steine,
Stolpersteine in Formen von Zweifeln.
Aber daraus entwickelt sich der Glaube doch weiter.
Vielleicht fällt mir die Antwort irgendwann leichter.
Vielleicht wird die Frage irgendwann anders gestellt
Vielleicht wird ein anderes Urteil gefällt.
Vielleicht bin ich irgendwann weiter.
Vielleicht wird alles vielleichter.
Und wo ein vielleicht war,
steht vielleicht irgendwann mal ein ja.