Manche sagen, dass du in Kirchen wohnst,
denn die wurden schließlich für dich gebaut.
Designierte Orte, an denen man an dich glaubt.
Orte, wo man seinen Glauben verstaut,
sodass er im Alltag nicht untergeht und verstaubt.
Und habt ihr euch Kirchen schon mal genau angekuckt?
Ich jedenfalls bin oft ziemlich beeindruckt,
wie groß die meisten alten Kirchen sind,
wie hoch manche Türme in den Himmel ragen.
Da ist es leicht zu glauben, dass sie Verbindung zu dir haben
Manche Kirchen sind so einladend und gemütlich,
dass ich sicher bin, du bist da drin.
Aber es sind nicht die Gemäuer, die Wände, die Gebäude –
sondern die Gemeinde, die Menschen, die Leute.
Wenn Menschen in deinem Namen zusammenkommen,
dann fühle ich mich wohl und willkommen.
Das ist Heimat, das ist vertraut.
Unter Christen fühle ich mich oft sofort zuhaus.
Aber heutzutage müssen immer mehr Gemeinden schließen,
denn es sind zu wenig Leute in den Gottesdiensten.
Und ohne Menschen, ohne Leute,
sind Kirchen oft nur noch Gebäude.
Diese stehen dann für Touristen offen,
das macht mich als Christin betroffen,
denn wenn ich im Urlaub in Kirchengebäude gehe,
ist mir dabei selten Gott begegnet.
Dabei ist es ja auch verständlich,
man könnte sogar sagen menschlich,
dich zu suchen in den größten Gebäuden, in der Fremde,
weil du größer bist als das, was wir kennen.
Wir gehen in fremde Städte und heilige Stätten,
denn wir wollen dich entdecken.
Wir gehen in Kirchen und auf Pilgerwege,
weil wir dich vielleicht so besser verstehen.
Wir dürfen Kirchen nur nicht zu Museen werden lassen,
wo man leise sein muss und »Bloß nichts anfassen!«
Es ist ja nicht so als wärst du ein Ausstellungsteil,
als wären die Kirchen ein Souvenir vergangener Zeit,
denn du bist ja noch hier.
Und manche sagen, du wohnt in der Bibel,
in den Legenden und Geschichten,
die von dir berichten,
von Schafhirten, Senfkörnern und Regenbögen,
von Vaterliebe, Kreuzigung und neuem Leben.
Es sind versuche, dich in Sprache verständlich zu machen.
Dich, Gott, der am unverständlichsten ist, in Worte zu packen.
Gott, Name und Überbegriff in einem.
… das muss doch ein Übersetzungsfehler sein,
oder es ist Gott der uns seinen Namen verschweigt?
Nein, es gibt eine Stelle in der Bibel,
da sagst du, dein Name ist Liebe.
Wenn man ihn auf das Wesentliche runterbricht,
sagt dein Name, dass du uns nah bist.
»Ich bin, der ich bin«
»Ich werde sein, der ich sein werde«
Du bist der »Ich bin da«
Mose sagte zu Gott: »Wenn ich nun zu den Leuten von Israel komme und zu ihnen sage: ›Der Gott eurer Vorfahren hat mich zu euch geschickt‹, und sie mich dann fragen: ›Wie ist sein Name?‹ – was soll ich ihnen sagen?«
2. Mose 3,13–14
Gott antwortete: »Ich bin da«, und er fügte hinzu: »Sag zum Volk Israel: ›Der Ich-bin-da hat mich zu euch geschickt.«
Ja, manche sagen, du wohnst in diesen Worten,
aber manchmal frage ich mich, wie kannst du in Worten leben,
denen durch Übersetzungen Nuancen der Bedeutung fehlen,
die in jeder Sprache verschieden,
und vor Ewigkeiten aufgeschrieben worden sind.
Und ist es wichtig, ob man GOTT in Großbuchstaben schreibt,
oder ändert das was an dem, wie du heißt?
Substantive, Satzanfänge und Namen
schreibt man mit Großbuchstaben.
Also, Dinge, die Substanz haben –
und Substanz kann man greifen.
Und Gott, der am unbegreiflichsten ist,
Gott, Anfang und Ende zugleich,
Gott, Name und Überbegriff in einem,
schreibe ich oft am kleinsten.
Manchmal bist du für mich selbstverständlich,
weil du immer und überall gleichzeitig bist.
Gott geht mit, Gott ist immer da.
Aber ich vergesse dich manchmal sogar.
Es fällt mir nicht leicht, dich groß zu schreiben in meinem Leben
und dir den Platz, der dir gebührt, auch zu geben.
In meinem Alltag geht es drüber und drunter,
und dann gehst du darin unter.
In solchen Momenten hilft es mir mich zu besinnen auf Gewohnheiten,
dann finde ich dich in Kirchen und random Bibelzeilen,
dann sehe ich wie sich das Licht in bunten Kirchenfenstern bricht,
dann ist es ein Vers, der zu mir spricht,
und ich finde dich.
Ich weiß, du bist nicht an Kirchen und die Bibel gebunden,
und man kann dich überall finden.
Aber vielleicht ist es leichter an diesen Orten,
und mit den allbekannten Worten,
den Draht zu dir zu finden,
sich mit dir zu verbinden.
Mir geht es manchmal so,
dass du in diesen Worten wohnst.
Ich kann mit dir in Verbindung treten,
und manchmal wenn alle zusammen beten.
wenn beim Vater Unser die verschiedenen Stimmen
zu einer verschwimmen.
oder auch wenn Menschen zusammen schweigen,
und es ganz still ist und leise,
dann ist auch in dieser stille Gott.
Und nicht nur in der Stille, auch in der Fülle eines Lobpreissongs
in den Melodien, den Harmonien, und in diesen Tönen ist Gott.
Es nicht die Gemäuer, die Wände, die Gebäude,
sondern die Gemeinde, die Menschen, die Leute.
Wenn Menschen in deinem Namen zusammenkommen,
dann fühle ich mich wohl und willkommen.
Letztendlich geht es nicht um bestimmte Orte, die heute oft geleert sind,
oder um die spezifischen Worte, die du uns gelehrt hast.
Du wohnst nicht in leeren Phrasen
und in verstaubten Worten aus vergangen Tagen.
Du wohnst im Jetzt und im Hier:
Ich wohn in dir und du wohnst in mir.
Du bist Geborgenheit und Wärme,
Du schenkst mir ein Stück Heimat in der Ferne.
Auch in der Fremde bist du mir nah.
Du bist der »Ich bin da«.
Du bist, wie du dich nennst.
Du bist mein Zuhause, meine Wurzel, mein Fundament,
Heimat für unterwegs, mein Marmeladenglasmoment –
wenn es mir schlecht geht, schnuppere ich daran.
Es ist wichtig, dass ich mich bei dir zuhause fühlen kann.
Es geht nicht darum, wo du wohnst,
sondern um das Gefühl in mir drin,
dass ich bei dir zuhause bin.
»Wisst ihr, was ich mir manchmal vorstelle? Dass man so eine schöne Zeit einfach in ein Marmeladenglas stecken könnte. Und wenn man unglücklich ist, dreht man einfach den Deckel auf und schnuppert ein bisschen dran.«
Cornelia Funke